Medienwandel 3/3: Zeitungsverlage müssen Geschäftsmodell massiv ändern
Serie zum Medienwandel – Teil 3 von 3: Social Media zwingt traditionelle Zeitungsverlage zu neuen Geschäftsmodellen. Warum der einzelne Artikel zum Produkt wird, das die Marke transportiert?
Eine Serie in drei Teilen von Oliver Albiez
Von Social Media zu Content Media
Eine Weile konnten sich Verlage freuen, dass sie über Social Media ihre Nachrichten kostenlos viral verbreiten und damit Traffic auf ihre eigenen Portale lotsen konnten.
Auch die weltweit größte Video-Plattform Youtube, seit 2006 Tochter von Google, profitierte davon. Nutzer konnten ihre Youtube-Videos einfach bei Facebook einbetten (embedded). Wurden die Videos von Facebook-Nutzern angeklickt und abgespielt, konnte Youtube den Traffic für sich verbuchen.
Im Herbst 2014 sagte Facebook Google den Kampf an. Videos wurden fortan im Newsfeed bevorzugt, wenn sie direkt bei Facebook hochgeladen wurden. Schon heute werden auf Facebook mehr Videos pro Tag angeschaut als auf Youtube.
Diese Behandlung von Videos markiert einen Strategiewechsel bei Facebook. Das Social-Media-Portal will nicht mehr nur Distributor für Content sein, sondern Content selbst bereitstellen und archivieren. Um attraktiv für fremde Inhalte zu sein, nutzt Facebook seine Reichweite und sein exaktes Targeting. Die komplexe Suchfunktion im Post-Archiv, die in den USA bereits ausgerollt wurde, ist ein weiterer Geniestreich, der den Wandel hin zur Content-Plattform markiert.
Der dritte Streich aber sind die so genannten Instant Articles, mit denen Facebook 2015 gestartet ist und die seit 2016 allen Publishern zur Verfügung stehen. Die Funktion ermöglicht es, Artikel direkt bei Facebook hochzuladen. Sie werden dann bei Abruf aus dem Newsfeed des Nutzers direkt von Facebook ausgespielt. Das geht schneller, löst mehr Nutzer-Engagement aus – und führt den Leser nicht weg von Facebook.
Warum sollten sich traditionelle Publisher wie Verlage auf Instant Articles einlassen? Auf den ersten Blick verlieren sie dadurch Traffic auf ihren eigenen Nachrichtenportalen, weil die Artikel von Facebook gehostet und ausgespielt werden. Das Angebot von Facebook: Die Einnahmen der innerhalb der Artikel selbst vermarkteten Werbeplätze fließen (derzeit) zu 100% an die Publisher. Werden die Werbeplätze über das Facebook-Werbenetzwerk vermarktet, müssen die Publisher derzeit 30% der Werbeeinnahmen an Facebook abgeben.
Zeitungsverlage müssen massiv umdenken
Der Medienwandel revolutioniert im Zeichen von Social Media das traditionelle Geschäfts- und Erlösmodell von Zeitungsverlagen. Nicht mehr die Print-Zeitung oder das Online-Nachrichtenportal sind die alleinigen Produkte, die es zu vermarkten gilt, sondern der einzelne Artikel wird zum Produkt.
Verlage müssen daher rasch umdenken. Ihre Online-Reichweite auf den eigenen Plattformen wird sinken. Das lässt sich nur mit reichweitenstarken Partnern kompensieren, auf die das Erlösmodell, das auf Werbung und Paid-Content basiert, übertragen werden kann. Artikel werden zukünftig über Social Media wie Facebook Instant Articles werblich und über E-Commerce-Portale wie Blendle als Paid Content vermarktet. Positiv stimmt die Studie „Trends der Zeitungsbranche 2016“ des BDZV (Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger), in der 60% der befragten Zeitungsverlage bekunden, dass sie eine dieser Formen von Aggregations- und Distributions-Plattformen nutzen wollen.
Was für die Produkte „Zeitung“, „Zeitschrift“, „Bücher“ schon längst normal war, muss von den Zeitungsverlagen für das Produkt „Artikel“ erst noch gelernt werden: die Multi-Channel-Strategie. Man kann das als Abhängigkeit werten – oder als Chance zum Überleben nutzen.
- Was es mit der Kostenloskultur und Paid Content auf sich hat, lesen Sie in Teil 1 der Serie „Medienwandel 1/3: Zeitungsverlage prägen Kostenloskultur im Internet“.
- Wie es mit Social Media und Mobile weitergeht, lesen Sie in Teil 2 der Serie „Medienwandel 2/3: Zeitungsverlage werden abhängig von Social Media“.
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